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Woran es mangelt

Manche Debatten sind schwer nachzuvollziehen. An allen Ecken und Enden tritt der Mangel an Fach- und Arbeitskräften inzwischen deutlichst zu Tage. Kitas können Kinder tageweise

nicht betreuen, weil Personal fehlt. Geschäfte schließen früher, weil keine Verkäuferinnen und Verkäufer da sind. Heizungen werden nicht eingebaut – weil es zu wenige Menschen gibt, die das könnten. Diejenigen, die arbeiten, leiden oft unter Überlastung.

Das fehlende Personal ist keine ferne Prognose mehr. Es sorgt  heute  schon für Einschränkungen in unserem täglichen Leben. Und es wird schlimmer
werden. Immer dringlicher warnt die Wirtschaft, dass dieser Mangel unseren Wohlstand gefährdet. Doch wird den Menschen aus aller Welt, die hier leben und arbeiten möchten, nun der rote Teppich ausgerollt? Mitnichten.

Ja, die Regierung hat sich zu einem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz durchgerungen, das manches einfacher machen soll. Doch reibt man sich verwundert die Augen, schaut man sich an, wie die Debatte – zumindest in Teilen der Gesellschaft – geführt wird. Da ist die Rede von der „Einwanderung in Sozialsysteme“, die suggeriert, dass es nur um Ausnutzung gehe. Die Forderung nach „Vornamen-Listen“ rückt Menschen mit Migrationshintergrund
generell und grundlos in die Nähe von Kriminalität. Zuletzt geisterte wieder der Begriff „Überfremdung“ herum.

Folgerichtig erklärte fast die Hälfte der Befragten bei einer Umfrage, Einwanderung wirke sich hauptsächlich negativ aus. 44 Prozent waren der Meinung, die Bundesregierung sollte
Einwanderung erschweren. Auch das Bild vom Boot, das voll sei, taucht wieder auf. Ernsthaft?

1,5 Millionen Menschen müssten der Wirtschaftsweisen Monika Schnitzer zufolge jährlich nach Deutschland einwandern, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. 2021 kamen laut Migrationsbericht der Bundesregierung „zu Erwerbszwecken“ rund 40 000. Dass es nicht mehr sind – wen sollte das wundern? Angesichts hoher bürokratischer Hürden, fehlender Wohnungen und unzureichender Infrastruktur. Vor allem aber mit Blick auf weit verbreitete
Ressentiments, alltägliche Rassismuserfahrungen. Und einem offen zur Schau
gestellten Mangel an Willkommenskultur.